Gegenkommentar
zur Tagesschau

27.05.2017

Alle Mitglieder unseres AGI-Teams zahlen brav ihren Rundfunkbeitrag. Was mit diesem Geld dann seitens der Öffentlich Rechtlichen angestellt wird, kann man natürlich nicht beeinflussen. Den gestrigen Kommentar des ARD-Journalisten Jörg Seisselberg vom ARD-Hauptstadtstudio zu einer Impfpflicht in Deutschland halten wir allerdings für derart unsinnig, dass er noch nicht einmal als Satire taugt. Der Gedanke, die Zwangsabgabe zukünftig zu verweigern, drängt sich beim Lesen jedenfalls unweigerlich auf.
http://www.tagesschau.de/kommentar/impfpflicht-103.html

Jörg Seisselberg sieht die größte journalistische Herausforderung darin, „fair zu bleiben“ und nicht immer „dem in unserem Berufsstand verbreiteten Herdentrieb“ zu folgen.
http://www.ard-hauptstadtstudio.de/korrespondenten/radio/ndr/joergseisselberg-101.html
Wie viel Luft er dabei noch nach oben hat, werden wir im Folgenden feststellen.
Aufgrund welcher Expertise er zu seinem angeblichen „Fachgebiet Gesundheit“ gekommen ist, deutet sich indes nicht an, so viele Argumente seines Kommentars sind falsch, undifferenziert und/oder haltlos, so dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Vielleicht am besten der Reihe nach:

„Die Bundesregierung hat den Druck auf die Impfgegner nun erhöht. Doch das reicht nicht.“

Natürlich darf der besonders differenzierende Begriff „Impfgegner“ bereits im Vorspann nicht fehlen, das Feindbild muss ja erst einmal abgesteckt werden. Ob damit nun schon Personen gemeint sind, die z.B. nur die HPV- oder die Windpockenimpfung ablehnen, oder gar die ganz militanten „Bioterroristen“, ist ja zunächst zweitrangig. Zum anderen „hat die Bundesregierung“ noch nicht, sondern sie möchte gerne. Ob „das reicht“ oder nicht, kann Herr Seisselberg also maximal aus seinem Kaffeesatz gelesen haben.

„Impfmuffeln, die sich der Beratung der Gesundheitsämter verweigern, droht er mit saftigen Bußgeldern. Gut so!“

Nun doch die Muffel, also schön. Wir wissen nicht, ob Herr Seisselberg Kinder hat, und ob er mal eine U-Untersuchung live miterlebt hat. Jedenfalls sollte er ansonsten wissen, dass a) i.d.R. nicht das Gesundheitsamt eine Impfberatung durchführt, sondern die Kinderärzte und b) wohl jeder Elternteil bestätigen kann, dass man dort auch schon vor den Zeiten des Präventionsgesetzes um die typischen Impfgespräche gar nicht herum kam.

„Eltern, die mit fragwürdigen Argumenten den Sinn von Impfungen gegen gefährliche Infektionskrankheiten in Frage stellen, spielen mit dem Leben ihrer Kinder. Deswegen ist es richtig, dass Gröhe die Daumenschrauben anzieht und Kitas Eltern melden sollen, die sich weigern, sich in Sachen Impfschutz aufklären zu lassen.“

Sicherlich meint Herr Seisselberg das Wort nicht so. Aber es wäre für ihn tatsächlich würdig, nach den Argumenten zu fragen, die er offenbar nicht kennt. Nämlich, dass es bei Impfungen generell nicht nur Sinn, sondern auch Risiken gibt, die es im Einzelfall gilt, abzuwägen. Leider sind letztere völlig mangelhaft erforscht. Die Personen, die Herr Seisselberg offenbar anspricht, haben sicher kein Problem damit, „sich aufklären zu lassen“. Nur brauchen sie dazu keine Daumenschrauben der Politik, sondern sie tun das bereits aktiv, freiwillig und am liebsten ausgewogen.

„Aber nur schärfer zu kontrollieren, ist zu wenig. Um das Problem wirklich in den Griff zu bekommen, muss der Gesundheitsminister konsequent sein und "Ja" zu einer Impfpflicht sagen.“

Herr Seisselberg scheint keinen blassen Schimmer zu haben, warum der Bundesgesundheitsminister nicht „Ja“ zu einer Impfpflicht sagt: Weil er es nicht kann und weil es auch nicht gewollt ist. Schon die verfassungsrechtlichen Hürden sind zu hoch, sämtliche Eingriffe wie Injektionen entsprechen zunächst einer Körperverletzung. Irgendetwas in der Richtung GG Artikel 2 müsste eigentlich in seinem Politologie-Studium vorgekommen sein, aber vielleicht wurde Herr Seisselberg da ja gerade zum Kreide holen geschickt? Sogar das zuständige Robert Koch-Institut spricht sich gegen eine Impfpflicht aus. Vielleicht macht Herr Seisselberg ja mal einen kleinen Spaziergang an der Spree entlang und fragt direkt beim RKI nach, warum.

„Dass in Deutschland viel für Prävention und Aufklärung beim Impfen getan wird, ist gut.“

Wir tun das ehrenamtlich und gerne, Herr Seisselberg, Danke!

„Und die erreichte Impfquote ist nicht schlecht. Bei den Standard-Erstimpfungen - also beispielsweise gegen Masern, Mumps oder Keuchhusten - liegt die Quote bei 96 Prozent.“

Also gegen Masern und Mumps wird beispielsweise per MMR geimpft, da kommt das mit 96% schon hin. Keuchhusten (Pertussis) wird allerdings normalerweise per 3-fach, üblicherweise per 6-fach geimpft, nach einem ganz anderen Schema und auch viel früher als die MMR, die Impfraten sind hier eher niedriger als 96%.
Hat Herr Seisselberg wohl mal einen Impfkalender gesehen? Kennt er den Unterschied zwischen Lebend- und Totimpfstoffen? Vielleicht meinte er ja auch „Röteln“ anstatt „Keuchhusten“, kann man ja mal in der Eile verwechseln. Hauptsache, dass das alles gefährliche Infektionskrankheiten sind.

„Die Kitas sollen zur Impfpolizei werden und dafür sorgen, dass sich alle Eltern die Beratung anhören, um sie davon zu überzeugen, ihre Kinder impfen zu lassen.“

Herr Seisselberg erwähnt ja jetzt gar nicht, ob er diesen nach DDR 2.0 anmutenden Vorschlag gut findet oder nicht, aber es scheint so. Wie das gehen soll, dass der Staat eine Kontrolle auf private Kita-Träger abzuwälzen versucht, weiß bis dato keiner, letztlich müssten diese ja dann auch wieder kontrolliert werden. Allerdings regt sich bereits im Vorfeld dazu Widerstand seitens des Bundesrates, also durch die Länder, zu deren Hoheit das Gesundheitswesen zählt.

„Und später dann auch die Zweitimpfung nicht zu versäumen. Aber gerade hier treten in Deutschland die größten Lücken auf. Trotz guter Aufklärung rutschen zu viele durch das Impfnetz. Aktuell ist jedes vierte Kind, das vier Jahre alt ist, kein zweites Mal geimpft.“

Er meinte offenbar doch „Röteln“.

„Das ist besorgniserregend. Denn, das kann man gar nicht oft genug sagen, wirklichen Schutz gibt es nur mit der zweiten Impfung. Millionen Deutsche dürften sich fälschlicherweise in Sicherheit wiegen und glauben, Masern und Co. könnten ihnen nichts anhaben. In Wirklichkeit sind sie der Gefahr voll ausgesetzt.“

Warum fängt man dann nicht gleich mit der zweiten MMR an, wenn die den wirklichen Schutz gibt? Aber Scherz beiseite. „Besorgniserregend“, das kann man gar nicht oft genug sagen, finden wir die Ahnungslosigkeit des Journalisten, zu mal, wenn man sich zu einem solch radikalen Kommentar versteigt. Die zweite MMR, eine Auffangimpfung, soll die ca. 8% Non-Responder der ersten auffangen. Vielleicht dann auch dazu mal beim RKI nachfragen?
Des Weiteren könnte Herr Seisselberg bei uns nachlesen und würde erfahren, dass Forscher bei der zweiten MMR lediglich eine Steigerung der Effektivität von 2% (!) festgestellt haben http://impformation.org/de/blog/grundlagen/trittbrettfahrer_der_herdenimmunitaet/2017-04-14/87/ und dass auch bei zweimalig MMR Geimpften nicht eben wenige Fälle von Masern auftauchen http://impformation.org/de/blog/impfstoffe/jetzt_neu_die_masernimpfung_3_mal/2015-02-19/50/
Jetzt die große Preisfrage an Herrn Seisselberg, wir bitten um Trommelwirbel dazu!
Warum verzichten Eltern lieber auf eine zweite MMR, obwohl sie doch offenbar nicht zu den Impfgegnern zählen und die erste schon haben vornehmen lassen?
Wir wollen ja nicht unfair sein, deswegen hier ein kleiner Tipp: Mag das vielleicht mit den schlechten Erfahrungen bezüglich der Verträglichkeit zusammenhängen?

„Gegen den laxen Umgang mit dem Impfschutz ist Aufklärung wichtig“

Das finden wir allerdings auch! Und damit zu den Risiken überhaupt erst mehr Aufklärung erfolgen kann, sind von der Industrie unabhängige Forschungen dazu vonnöten.

„Impfen ist eine Pflicht. Das wäre die schärfste Ansage des Gesetzgebers, die helfen würde, dass mehr Eltern das Thema ernst nehmen und die notwendige Zweitimpfung für ihre Kinder nicht versäumen.“

Also, diese Zweitimpfung hat es Herrn Seisselberg ja echt angetan. Sollen wir ihm verraten, dass die sogenannte Grundimmunisierung gemäß Impfkalender nicht zwei Mal, nein, nicht drei Mal, nein, … sondern vier Mal (!) vorgesehen ist? Das dürfte ihn komplett umhauen!
Aber um wieder zum Ernst der Lage zurückzukommen: Wen spricht der Kommentator der Tagesschau denn nun eigentlich direkt an? Die Gegner, die Muffel, die laxen Nichternstnehmer oder die Versäumer? Das ist doch ein Unterschied oder nicht?
Auch auf die Gefahr hin, dass der gute Mann nun total durcheinander kommt, aber wir erklären jetzt einmal, wie das mit den Nichtimpfern usw. ist: Nachweislich stammen diese größtenteils aus höheren Bildungsschichten. Das bedeutet so viel wie: Sie sind imstande, Informationen zu finden und haben ein Hintergrundwissen, diese dann auch bewerten zu können. Darüber hinaus nehmen sie das Thema ernst, ansonsten würden sie ja einfach nach Stiko impfen lassen. Und jetzt der Witz: Wissen Sie, wie man diese Personen doch noch zum (mehr) Impfen bewegen will? Na? Durch noch mehr Aufklärung! Für uns ein Brüller sondergleichen!

„Die Impfpflicht würde den Kampf gegen Masern und andere Krankheiten noch erfolgreicher machen. Deswegen muss sie kommen.“

Wieder falsch! Auch dazu kann Herr Seisselberg bei uns nachlesen: https://www.facebook.com/impformation/posts/1534435823256170. Die Zahlen (Fälle pro 1.000.000 pro Jahr) sind in den europäischen Ländern mit Impfpflicht bedeutend höher.

Wir fassen zusammen. Ach… Womöglich wäre es am besten, Herr Seisselberg widmet sich wieder mehr seinen anderen „Fachgebieten“ wie Italien oder Fußball. Dann zahlen wir auch weiterhin gerne diese Zwangsabgabe. Einverstanden?

Ihr AGI-Team


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