Präventionsgesetz –
Was bedeutet das jetzt eigentlich?

16.12.2016

Ab der Jahreswende 2014/15 bis ungefähr zum Sommer 2015 gab es, vor allem in, und ausgehend von Berlin, eine größere Anzahl von Masernfällen. Die Inzidenz übertraf noch die Spitzen von 2013 und 2011, jedoch nicht die von 2006. Spätestens, seit im Februar 2015 ein kleiner Junge starb, bei dem eine Maserinfektion vorlag, der allerdings auch eine (zunächst verschwiegene) schwere Grunderkrankung hatte, überschlugen sich die großen Leitmedien mit Horrormeldungen und infamen Beschimpfungen sogenannter „Impfgegner“, die als Schuldige ausgemacht wurden. Wir berichteten: http://impformation.org/de/blog/impfschaeden/tod_nach_masern/2015-02-23/51/

Auch in der Politik wurde dazu debattiert und Rufe nach einer Impfpflicht oder einem Ausschluss von ungeimpften Kindern aus Kindergärten und Schulen wurden laut. Die Bundesregierung brachte dann das ‚Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention’ (Präventionsgesetz, PrävG)‚ ins Spiel, was am 25. Juli 2015 in Kraft trat. Einer der tatsächlich neuen Punkte dabei und für eine Impfentscheidung relevant ist der Nachweis über eine erfolgte Impfberatung der Eltern bei der Aufnahme ihres Kindes in eine Kindertagesstätte, dieser ist verpflichtend und kann bei Nichterfolgen eine Ordnungsstrafe von bis zu 2.500 € nach sich ziehen.

Viele Eltern sind dadurch verunsichert. Einige sind der (nicht zutreffenden) Auffassung, ihren nicht oder nicht gemäß der StIKo-geimpften Kindern könnte ein Platz in der Kita verwehrt werden. Auch versuchen manche Kitas in gesetzeswidriger Weise, nicht geimpfte Kinder abzuweisen. Wir berichteten über einen Fall hier: http://impformation.org/de/blog/kommentare/liebe_arbeiterwohlfahrt_wir_haetten_da_mal_eine_frage/2016-06-01/77/

Wie genau soll „der Nachweis über eine erfolgte Impfberatung der Eltern“ aber nun stattfinden?
Wohl oder übel müssen wir uns dazu ein wenig Amtsdeutsch zu Gemüte führen. Wenn Ihnen das zu viel ist, lesen Sie einfach unterhalb der gestrichelten Linie weiter.

Auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums heißt es dazu zum Thema Impfungen:
„Das Präventionsgesetz fördert durch eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen die Impfprävention. Künftig soll der Impfschutz bei allen Routine-Gesundheitsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie den Jugendarbeitsschutzuntersuchungen überprüft werden. Auch Betriebsärzte sollen künftig allgemeine Schutzimpfungen vornehmen können. Bei der Aufnahme eines Kindes in die Kita muss ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorgelegt werden. Beim Auftreten von Masern in einer Gemeinschaftseinrichtung (z. B. Kita, Schule, Hort) können die zuständigen Behörden ungeimpfte Kinder vorübergehend ausschließen. Medizinische Einrichtungen dürfen die Einstellung von Beschäftigten vom Bestehen eines erforderlichen Impf- und Immunschutzes abhängig machen. Zudem können Krankenkassen Bonus-Leistungen für Impfungen vorsehen.“ http://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/praeventionsgesetz.html

Im Infektionsschutzgesetz (IfSG) gibt es im § 34 dementsprechend einen neuen Absatz 10a. Die beiden Sätze lauten wie folgt:
„(1) Bei der Erstaufnahme in eine Kindertageseinrichtung haben die Personensorgeberechtigten gegenüber dieser einen schriftlichen Nachweis darüber zu erbringen, dass zeitnah vor der Aufnahme eine ärztliche Beratung in Bezug auf einen vollständigen, altersgemäßen, nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ausreichenden Impfschutz des Kindes erfolgt ist. (2) Wird der Nachweis nicht erbracht, kann das Gesundheitsamt die Personensorgeberechtigten zu einer Beratung laden. Weitergehende landesrechtliche Regelungen bleiben unberührt.“ https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__34.html

Auf einer Website des Vereins ‚KinderStärken e.V.’, der unter anderem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gefördert wird, finden wir dazu folgende Erklärungen:
„[…] Die vorgeschriebene ärztliche Vorstellung ist daher voraussichtlich geeignet, dass es zu der bezweckten Schließung bestehender Impflücken kommt. Die Durchführung der Schutzimpfungen ist freiwillig. Das Bestehen eines vollständigen Impfschutzes wird auch nicht als Voraussetzung für die Aufnahme in die Kindertageseinrichtung geregelt. […] Auf welche Weise der Nachweis der erfolgten Impfberatung zu erbringen ist, bestimmt sich nach Landesrecht. […] Die erforderliche Flexibilität der Regelung für die Länder wird darüber hinaus dadurch sichergestellt, dass weitergehende Regelungen der Länder, wie sie teilweise bereits heute bestehen, unberührt bleiben. […] Die Ausgestaltung als Entscheidungsbefugnis des Gesundheitsamtes stellt zur Wahrung der Datensparsamkeit sicher, dass die Einrichtung die Daten nur dann und nur insoweit vorhalten muss, wenn dies vor dem Hintergrund der jeweiligen landesspezifischen Bestimmungen und nach der Einschätzung des örtlichen Gesundheitsamtes sinnvoll ist.“ http://www.praevges.info/ifsg-§-34-gesundheitliche-anforderungen-mitwirkungspflichten-aufgaben-des-gesundheitsamtes/

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Gut, für die „Ausgestaltung“ sind offenbar die Länder zuständig. Was nicht ungewöhnlich ist, denn das Gesundheitswesen ist gemäß Grundgesetz Ländersache. Machen wir uns also auf die Suche.

Auf den Websites der für die Gesundheit zuständigen Landesministerien sieht es zu den Suchworten „Präventionsgesetz“ oder „§34 10a“ leider eher schlicht aus. Fündig werden wir dann beim „// Zukunftsministerium“ (oder konservativer: „Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration“). In einem Papier des „Referat II 4 – Kindertagesbetreuung“ lesen wir:
„Es handelt sich um eine gesetzliche Verpflichtung der Personensorgeberechtigten, einen schriftlichen Nachweis über eine ärztliche Beratung in Bezug auf einen vollständigen, altersgemäßen, nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ausreichenden Impfschutz des Kindes vorzulegen. Die Kindertageseinrichtungen müssen nur nachprüfen, ob der Nachweis hinreichend erbracht wurde. Eine Überprüfung des Impfstatus ist nicht durchzuführen. Die Regelung gilt nicht für die Kindertagespflege, auch nicht für die Großtagespflege. Der Nachweis ist keine Voraussetzung für die Aufnahme in die Kindertageseinrichtung und auch keine Fördervoraussetzung nach dem BayKiBiG.“

Moment mal, „keine Voraussetzung für die Aufnahme“?

„Die Vorlage muss jedoch nachgeholt werden. Die Kindertageseinrichtungen werden gebeten, die Personensorgeberechtigten an ihre Verpflichtung gemäß § 34 Abs. 10a IfSG zu erinnern.“

Ah, ja. Sicherlich haben die Mitarbeiter_innen der Kitas auch nur wenig Aufgaben, die sie fordern. Die Eltern an gesetzliche Pflichten zu erinnern wird doch da wohl noch möglich sein, oder? …

„Durch die Neuregelung wird keine Impfpflicht eingeführt. Es soll sichergestellt werden, dass die Eltern eine Entscheidung über den Impfschutz des Kindes aktuell und auf informierter Basis treffen.“

Dem können wir uns voll und ganz anschließen. Dafür gibt es ja z.B. die Arbeitsgruppe IMPFormation.

Zur Frage der Form der Dokumentation heißt es:
„[…] Impfausweis oder Untersuchungsheft dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht kopiert werden. […]“

Ein Punkt, den viele Leiter_innen von Kindertageseinrichtungen (auch bundesweit) oft vergessen. Es handelt sich dabei um persönliche Dokumente, deren Herausgabe nicht von den Eltern erzwungen werden darf, um einen Platz für das Kind bereitzustellen.

Sehr interessant wird es dann im letzten Punkt 6. „Muss das Gesundheitsamt über die Nichtvorlage informiert werden? “:
„Da es derzeit an der erforderlichen Befugnisnorm fehlt, darf die Kindertageseinrichtung in Fällen, in denen der schriftliche Nachweis einer ärztlichen Impfberatung nicht vorgelegt wurde, bis auf Weiteres keine personenbezogenen Daten an das Gesundheitsamt weitergeben. Eine Ladung zur Beratung durch das Gesundheitsamt ist daher vorerst nicht möglich. Da vorläufig keine Einschaltung des Gesundheitsamtes stattfindet, weisen wir nur der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die Eltern, die den Nachweis nicht oder nicht rechtzeitig erbringen ordnungswidrig handeln.“
http://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_internet/kinderbetreuung/stmas-baykitag-231.pdf

Liebe Eltern, lassen Sie sich also bitte nicht verunsichern! Informieren Sie sich über die Gesetzeslage, wenn Sie einen Betreuungsplatz für ihr Kind benötigen und stellen Sie ihre Rechte klar! Wehren Sie sich!

Wir hoffen, dass auch weitere Bundesländer das Präventionsgesetz im Sinne einer freien Impfentscheidung ‚ausgestalten’!

Ihr AGI-Team

Foto: Screenshot Website BMJV, s. Link oben / Emoticon: Pixabay.com nach CC0

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